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Poststrukturalismus: Die Welt anders lesen

Poststrukturalismus: Die Welt anders lesen

Das Wichtigste in Kürze

Was ist Poststrukturalismus?

Poststrukturalismus ist eine geistes- und sozialwissenschaftliche Strömung, die sich kritisch mit dem Verhältnis von Sprache und Wirklichkeit auseinandersetzt. Erfahre mehr über den Begriff der Dekonstruktion…

Wie ist Poststrukturalismus entstanden? 

Poststrukturalismus ist Ende der 1960er Jahre in Frankreich aus dem Strukturalismus hervorgegangen. Auch die Methode der Diskursanalyse gehört zum Poststrukturalismus…

Wer sind die wichtigsten Vertreter des Poststrukturalismus? 

Zu den bekanntesten und einflussreichsten Vertretern des Poststrukturalismus gehören Jacques Derrida, Michel Foucault, Gilles Deleuze, Félix Guattari, Jacques Lacan, Roland Barthes, Julia Kristeva und Judith Butler. 

Du hast vielleicht schon mal von Poststrukturalismus gehört, aber weißt nicht genau, was das ist. Oder Du hast Dich schon mal mit diesem Thema beschäftigt, aber bist Dir nicht sicher, wie Du es anwenden kannst.

In diesem Blogbeitrag erfährst Du, was Poststrukturalismus ist, wie er entstanden ist, welche Theoretiker ihn geprägt haben und wie er Dir helfen kann, die Welt anders zu lesen.

Poststrukturalismus: Wie Du die Welt anders lesen kannst

Die Methoden des Poststrukturalismus ermöglichen Dir einen anderen Blick auf die Welt

Du fragst Dich vielleicht: Warum sollte ich mich überhaupt mit Poststrukturalismus beschäftigen? Was bringt mir das? Die Antwort ist: Poststrukturalismus kann Dir helfen, die Welt anders zu lesen. Damit meinen wir nicht nur literarische Texte oder wissenschaftliche Artikel, sondern auch alltägliche Phänomene wie Nachrichten, Werbung, Filme, Kunst oder Mode. Poststrukturalismus kann Dir zeigen, wie diese Phänomene mit Sprache funktionieren und welche Wirkungen sie haben. Poststrukturalismus kann Dir auch helfen, Deine eigene Position in der Welt zu reflektieren und zu verändern.

Wie das geht? Das wollen wir Dir in den folgenden vier Abschnitten erklären. Wir werden Dir jeweils einen wichtigen Begriff oder eine wichtige Methode des Poststrukturalismus vorstellen und an einem Beispiel zeigen, wie Du sie anwenden kannst.

Dekonstruktion: Verborgene Widersprüche in Texten aufdecken

Dekonstruktion ist eine Methode, die vor allem von Jacques Derrida entwickelt wurde. Sie zielt darauf ab, verborgene Widersprüche in Texten aufzudecken und zu zeigen, wie sie ihre eigene Bedeutung untergraben. Die Dekonstruktion geht davon aus, dass Sprache nicht eindeutig und stabil, sondern mehrdeutig und veränderlich ist. Das bedeutet, dass jedes Wort oder jeder Begriff nicht nur eine feste Bedeutung hat, sondern auch andere Bedeutungen impliziert oder ausschließt.

Ein Beispiel für Dekonstruktion ist die Analyse des Begriffs “Freiheit”. Freiheit ist ein positiv besetzter Begriff, der häufig mit Werten wie Autonomie, Selbstbestimmung oder Demokratie assoziiert wird. Doch was bedeutet Freiheit eigentlich? Ist Freiheit immer gut? Für wen gilt Freiheit? Und welchen Preis hat die Freiheit?

Wenn wir diese Fragen stellen, merken wir schnell, dass Freiheit nicht so einfach zu definieren ist. Freiheit kann auch negative Konnotationen haben, wie Bindungslosigkeit, Isolation oder Anarchie. Je nach Perspektive und Kontext kann Freiheit auch unterschiedlich verstanden werden. Freiheit kann auch mit anderen Werten oder Interessen wie Sicherheit, Gerechtigkeit oder Solidarität in Konflikt geraten. Daher kann Freiheit nicht als ein eindeutiger und universeller Begriff verstanden werden, sondern als ein vielschichtiger und kontingenter Begriff, der immer wieder neu ausgehandelt werden muss.

Tipp: Wenn Du einen Text dekonstruierst, solltest Du Dich nicht nur auf die offensichtliche Bedeutung konzentrieren, sondern auch auf die versteckten Bedeutungen, die Widersprüche, die Aussparungen und die Ränder des Textes. Du solltest Dich fragen: Was wird gesagt und was wird nicht gesagt? Was wird betont und was wird vernachlässigt? 

Diskursanalyse: Machtverhältnisse in der Sprache erkennen

Die Diskursanalyse ist eine Methode, die vor allem von Michel Foucault entwickelt wurde. Sie zielt darauf ab, Machtverhältnisse in der Sprache zu erkennen und aufzuzeigen, wie diese die Wirklichkeit konstruieren und regulieren. Die Diskursanalyse geht davon aus, dass Sprache nicht nur ein neutrales Kommunikationsmittel, sondern auch ein Herrschaftsinstrument ist. Das bedeutet, dass Sprache nicht nur beschreibt, was ist, sondern auch bestimmt, was sein darf.

Schauen wir uns beispielsweise die Analyse des Migrationsdiskurses an. Migration ist ein gesellschaftlich relevantes und kontroverses Thema, das häufig mit Emotionen, Vorurteilen und Konflikten verbunden ist. Doch wie wird Migration sprachlich dargestellt? Mit welchen Begriffen werden Migrantinnen und Migranten bezeichnet? Welche Bilder werden produziert, um Migration zu veranschaulichen? Mit welchen Argumenten wird Migration gerechtfertigt oder kritisiert?

Wenn wir diese Fragen stellen, merken wir schnell, dass Migration nicht nur ein objektives, sondern auch ein diskursives Phänomen ist. Migration wird durch Sprache gestaltet und bewertet. Migration wird durch Sprache zum Problem oder zur Chance. Migration wird durch Sprache zur Bedrohung oder zur Bereicherung.

Tipp: Wenn Du einen Diskurs analysierst, solltest Du Dich nicht nur auf die Inhalte konzentrieren, sondern auch auf die Formen, die Strategien und die Effekte der Sprache. Du solltest Dich fragen: Wie wird gesprochen und wer spricht? Wie wird argumentiert und wer wird überzeugt? Wie wird gehandelt und wer wird beeinflusst? 

Intertextualität: Verbindungen zwischen Texten entdecken

Intertextualität ist eine Methode, die vor allem von Julia Kristeva entwickelt wurde. Sie zielt darauf ab, die Verbindungen zwischen Texten zu entdecken und zu zeigen, wie sie ihre Bedeutung beeinflussen. Intertextualität basiert auf der Annahme, dass kein Text isoliert existiert, sondern immer in Beziehung zu anderen Texten steht. Das bedeutet, dass jeder Text nicht nur aus eigenen Worten besteht, sondern auch aus fremden Worten, die er zitiert, paraphrasiert oder transformiert.

Für die Entwicklung der Methode zur Intertextualität ist vor allem Julia Kristeva verantwortlich

Ein Beispiel für Intertextualität ist die Analyse des Romans “Der Name der Rose” von Umberto Eco. Der Roman ist eine spannende Geschichte über einen Mordfall in einem mittelalterlichen Kloster. Aber der Roman ist auch eine intertextuelle Collage aus verschiedenen literarischen Quellen.

Der Roman zitiert zum Beispiel den Titel eines Romans von Jorge Luis Borges (“Der Name der Rose”), den Namen eines Detektivs von Arthur Conan Doyle (William von Baskerville), den Stil eines Romans von Agatha Christie (Die zehn kleinen Negerlein), den Plot eines Romans von Edgar Allan Poe (Der Doppelmord in der Rue Morgue) oder den Dialog eines Dramas von William Shakespeare (Hamlet). Der Roman spielt also nicht nur mit den Erwartungen der Leserinnen und Leser, sondern auch mit ihrem literarischen Wissen.

Rhizom: Vielfalt und Veränderung in der Welt wertschätzen

Rhizom ist eine Methode, die hauptsächlich von Gilles Deleuze und Félix Guattari entwickelt wurde. Sie zielt darauf ab, die Vielfalt und den Wandel in der Welt wertzuschätzen und zu zeigen, wie sie neue Möglichkeiten eröffnen. Rhizom basiert auf der Annahme, dass die Welt nicht aus festen und hierarchischen Strukturen besteht, sondern aus fließenden und horizontalen Verbindungen. Das bedeutet, dass die Welt nicht nur aus eindeutigen und stabilen Identitäten besteht, sondern auch aus mehrdeutigen und veränderlichen Unterschieden.

Die Rhizom Methode wird bei der Analyse von Kultur deutlich. Kultur wurde oft als etwas verstanden, das eine bestimmte Gruppe von Menschen kennzeichnet und von anderen Gruppen unterscheidet. Kultur wurde oft als etwas gesehen, das eine gemeinsame Geschichte, Sprache, Religion oder Tradition hat. Kultur wurde oft als etwas dargestellt, das eine feste und homogene Einheit bildet.

Aber ist das wirklich so? Ist Kultur nicht viel mehr? Ist Kultur nicht auch etwas, das sich ständig verändert und erneuert? Ist Kultur nicht auch etwas, das sich mit anderen Kulturen austauscht und vermischt? Ist Kultur nicht auch etwas, das aus vielen verschiedenen Elementen besteht, die sich nicht immer in Einklang bringen lassen?

Den Poststrukturalismus verstehen

Poststrukturalismus ist eine spannende und herausfordernde Strömung, die Dir helfen kann, die Welt anders zu lesen. Mit den Methoden der Dekonstruktion, Diskursanalyse, Intertextualität und Rhizom kannst Du die verborgenen Widersprüche in Texten aufdecken, die Machtverhältnisse in der Sprache erkennen, die Verbindungen zwischen Texten entdecken und die Vielfalt und die Veränderung in der Welt wertschätzen. Wir hoffen, dass dieser Blogbeitrag Dir einen guten Überblick über den Poststrukturalismus gegeben hat und Dich dazu anregt, Dich weiter mit diesem Thema zu beschäftigen.

Quellen:

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